Dr. Cornelia Scholle

Nephro­logie als Familien­tradition

Wie Dr. Cornelia Scholle aus Berlin in die Fußstapfen ihres Vaters trat

Charlotte Schrooten: War für Sie schon als kleines Mädchen klar, dass Sie Nephrologin werden möchten?

Dr. Cornelia Scholle: Ich bin mit der Medizin, in einer Medizinerfamilie und in einem Netzwerk von Medizinern, insbesondere Nephrologen aus dem Freundeskreis meiner Eltern, aufgewachsen. Mein Ur-Urgroßvater hat über das Thema „Urin und seine Pathologie“ promoviert, meine Großtante, Dr. Gerda Scholle, war eine der ersten niedergelassenen Ärztinnen in Berlin, sie musste als Frau für ihr praktisches Jahr noch bezahlen. Und meine Patentante, eine ehemalige selbständige Gynäkologin, war die Kommilitonin meines Vaters.

Sie ist nach wie vor eine sehr gute Ratgeberin für mich. Die Medizin hat mich also quasi lebenslang begleitet, die erwähnten Personen haben mir seit jeher imponiert. Ich habe eine jüngere Schwester; gemeinsam mit meiner Mutter haben wir als Kinder meinen Vater oft aus dem Klinikum Steglitz oder später aus dem KfH abgeholt. Blut in Schläuchen war mir also nie fremd. Zuhause hatten wir einen Pschyrembel. Ein beliebtes Spiel meiner Schwester und mir war „Wer traut sich, das eklige Bild anzufassen?“, z. B. ein Foto einer offenen Wunde oder eines entzündeten Auges. Beliebtes Spiel war auch „Dr. Bibber“: hier musste man mit ruhiger Hand Fremdkörper aus einem Körper auf einem Spielbrett entfernen, ohne den Rand zu berühren. Insofern kann man hier wahrscheinlich von frühkindlicher Prägung sprechen. Als Schülerin habe ich mit meiner Schwester, die Gynäkologin geworden ist, die Lebensmittel für die Praxis eingekauft. So war ich immer nah dran und konnte viele Eindrücke sammeln. Die Medizin hat mich immer beeindruckt, wobei ich sagen muss, dass mein Vater nie versucht hat, mich dahingehend zu lenken
oder zu beeinflussen. Er riet mir aber auch nie explizit ab. Nach dem Abitur habe ich mich für das Medizinstudium entschieden, in erster Linie aus Interesse an den Naturwissenschaften. Zusätzlich wurde mein Interesse geweckt durch Gespräche meines Vaters mit Freunden und Kollegen, bei denen ich gelegentlich anwesend war und in denen meist die Medizin das Hauptthema war. Mögliche Alternativen zum Medizinstudium hatten zu keinem Zeitpunkt eine ausreichende Attraktivität, um meine Entscheidung ins Wanken zu bringen. Hier konnte ich mir gut vorstellen, wie die Zukunft aussehen könnte.

Charlotte Schrooten: Sie haben sich entschieden, in die Fußstapfen Ihres Vaters zu treten und in die nephrologische Praxis einzusteigen. Seit wann stand dies für Sie fest?

Dr. Cornelia Scholle: Für die Nephrologie habe ich mich zügig entschieden, diesmal dann aus reinem Interesse. Mein Vater hat sich 1987 in (damals West-) Berlin als zweiter Nephrologe niedergelassen, ich habe 1995 mit meinem Studium begonnen. Bis zum 1. Staatsexamen habe ich an der FU Berlin studiert, in den gleichen Hörsälen, in denen auch schon mein Vater saß. Nach dem 1. Staatsexamen habe ich an die Universität Ulm gewechselt und dort auch in der Nephrologie promoviert. Mein Doktorvater war Professor Frieder Keller, auch Nephrologe, den ich bereits gut aus Berlin kannte. Eine Famulatur habe ich in Bamako/ Mali bei einem ehemaligen Kollegen meines Vaters aus dem Klinikum Steglitz, Prof. Mahamane Maiga, absolviert. In Bamako wurde die aus Berlin exportierte einzige vorhandene verstaubte Dialysemaschine (Drake-Willock) damals als Ablage benutzt. Als Gastgeschenk nahm ich ein Nierenbiopsie-Set mit nach Afrika. So ergab sich mein Weg in der Nephrologie automatisch. Meine erste Stelle, damals noch als Ärztin im Praktikum, trat ich dann an der Charité bei Professor Hans-Hellmut Neumayer an. Während der Facharztausbildung habe ich regelmäßig in der
Praxis mitgearbeitet, meist in den Spätdiensten nach der Arbeit an der Charité. Den letzten Teil meiner Facharztausbildung habe ich in der Praxis meines Vaters absolviert. Während dieser Zeit fragte mich mein Vater eines Tages bei einem Bier, ob ich die Praxis übernehmen möchte, mit allen Chancen und Risiken. Diese Frage habe ich sofort mit „Ja“ beantwortet, ich musste nicht überlegen. Die Entscheidung, in die Fußstapfen meines Vaters treten zu wollen, hat sich also im Laufe der Zeit entwickelt.

Charlotte Schrooten: Was hat Sie dazu bewogen, in die Praxis Ihres Vaters einzusteigen?

Dr. Cornelia Scholle: Zum Praxiseinstieg hat mich in erster Linie die Herausforderung bewogen, Medizin in einem eigenen
Unternehmen in eigener Regie zu machen, „Selbstentscheider“ zu sein und die Dinge eigenständig gestalten zu können, in jeder Hinsicht. Die viele Arbeit, die mein Vater gerade zu Beginn der Praxisgründung hatte, hielt mich nicht davon ab, einen ähnlichen Weg einzuschlagen, die Anteile meines Vaters zu kaufen und in die Praxis einzusteigen.

Charlotte Schrooten: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit Ihrem Vater?

Dr. Cornelia Scholle: Mein Vater hat Anfang 2014 seinen Kassenarztsitz geteilt, auf dem Weg in die Gemeinschaftspraxis
waren einige Hindernisse zu überwinden. Mein Vater und ich haben dann fünf Jahre jeweils auf einem halben Kassenarztsitz gearbeitet. Dieser vermeintlich lange Zeitraum hat sich als Übergangsfrist für uns beide als sehr sinnvoll erwiesen. Die bis zu diesem Zeitpunkt von meinem Vater ausgeführten Aufgabenbereiche, insbesondere das Personalmanagement, wurden fließend im Praxisalltag von mir übernommen. Die Zusammenarbeit mit meinem Vater – sowohl medizinisch als auch in allen weiteren Bereichen – lief aus meiner Sicht völlig problemlos, Reibungspunkte gab es praktisch keine. Mein Vater hatte nie ein Problem damit, Aufgabenbereiche an mich auf eine partnerschaftliche
Art weiterzugeben, und hat mich und meine Entscheidungen immer akzeptiert. Anfang 2019 habe ich dann die zweite Hälfte des KV-Sitzes meines Vaters in der Gemeinschaftspraxis übernommen. Seitdem arbeite ich als Gesellschafterin mit den zwei verbliebenen Kollegen zusammen. Die Patienten haben mich sehr unvoreingenommen und wohlwollend als Nachfolgerin meines Vaters akzeptiert. Ich habe auch einige Floskeln meines Vaters, die bei Patienten gut ankommen, übernommen. So sagte er beispielweise immer: „Ihr Eisenspiegel ist zu niedrig, wir müssen Ihnen Eisen verabreichen, aber achten Sie bitte darauf, dass Sie in Zukunft kein Blech reden, sonst muss das Eisen vorzeitig wieder abgesetzt werden.“
Dies habe ich ungefiltert übernommen und es führt nach wie vor zu großer Heiterkeit seitens der Patienten und ist mittlerweile ein „Running Gag“.

Charlotte Schrooten: Wie vereinbaren Sie Praxis und Familie?

Dr. Cornelia Scholle: Dies alles ist nur möglich, da mein Mann mich ununterbrochen unterstützt hat, egal worum es ging. Entscheidungen haben wir immer gemeinsam getroffen. Wir leben einen klassischen Rollentausch, mein Mann ist hauptamtlich für unsere vier Kinder (8, 11, 13 und 16 Jahre) und alles, was dazugehört, zuständig, managt das Ganze und hält mir so den Rücken frei.

Charlotte Schrooten: Welche Pläne haben Sie für die Praxis?

Dr. Cornelia Scholle: Aktuell arbeite ich mit zwei weiteren Ärzten (gleichberechtigte Gesellschafter), die wenige Jahre jünger sind als mein Vater, zusammen. Pläne habe ich viele für die Praxis. Durch meine frühe Mitarbeit fühlte ich mich der Praxis schon frühzeitig verbunden, bei meinem Eintritt in die Praxis kannte ich einige Patienten und Mitarbeiter noch aus dieser Anfangszeit – die Praxis ist für mich eine Art Familienunternehmen. Ich bin optimistisch, möchte die Praxis gerne weiterhin eigenständig gestalten und freue mich trotz aller Unwägbarkeiten auf die Zukunft. Mein Vater steht mir nach wie vor als externer Coach und Berater zur Seite, was sehr wertvoll ist. Über die Verwirklichung meiner Pläne können wir sehr gerne in einigen Jahren in einem zweiten Interview sprechen. (Frau Dr. Scholle lacht)

Charlotte Schrooten: Auf dieses Angebot werden wir sicher gerne zurückkommen. Vielen Dank.

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